Stell dir vor Österreich öffnet sich der Elite dieser Welt und keiner geht hin

Offenbar erkennen auch einige Politiker langsam aber sicher, dass unser Sozialsystem und der aufgeblähte Staatsapparat mittelfristig wohl kaum finanzierbar sind. Außenminister Spindelegger fordert nun eine gelenkte Zuwanderung und glaubt damit demographische Probleme lösen, zumindest aber aufschieben zu können. Auch Innenministerin Fekter deutet, wie gewohnt mit mäßig intelligenter Wortwahl, ihre Zustimmung zu einer offensiveren Zuwanderungspolitik an. Auch die Mehrheit der Sozialdemokraten scheinen diese Forderungen grundsätzlich zu teilen. Man spricht davon, die „besten Köpfe und Hände“ nach Österreich holen zu wollen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Die österreichische Politik hängt immer noch verzweifelt an dem Glauben, Österreich wäre ein hochinteressantes Ziel für die High-Potentials dieser Welt, und diese würden lediglich darauf warten in unser Land gelassen zu werden. Keiner hat sich scheinbar jemals die Frage gestellt, ob es für international orientierte, hoch gebildeten junge Menschen nicht wichtigere Karriereziele als die Finanzierung des österreichischen Sozialsystems geben könnte. Eine Betrachtung der internationalen Entwicklungen zeigt sehr schnell, dass Österreich (ebenso wie Deutschland) für Spitzenkräfte zunehmend uninteressanter wird. Die Lebensqualität in Österreich sowie die gute Infrastruktur in unserem Land sollen keineswegs in Frage gestellt werden. Auch die mittels Subventionen rund um Wien angesiedelten Headquarter diverser Großkonzerne bieten (noch) zahlreiche interessante Positionen für hoch qualifizierte Zuwanderer. Es ist allerdings fraglich wie lange bzw. um welchen Preis diese Arbeitsplätze in Österreich noch zu halten sind.

Zahlreiche Länder holen hinsichtlich der Infrastruktur schneller auf als der heimischen Politik lieb ist. Die erreichbaren Einkommen, die in Österreich in den unteren Einkommensschichten vergleichsweise überproportional hoch sind, sind in den Chefetagen und bei den wichtigen Leitungspositionen international relativ dürftig. Nach Berücksichtigung des hohen Spitzensteuersatzes, der ja in Österreich schon ab einem Bruttoeinkommen von € 60.000 angewendet wird und der hohen Lebenserhaltungskosten verschärft sich diese Problematik zusätzlich. Die östlichen Nachbarländer beispielsweise bieten mit einer Flat Tax von 19% (Slowakei) bzw. 16% (Ungarn) schon jetzt ein wesentlich höheres Nettoeinkommen für Spitzenkräfte bei vergleichsweise niedrigen Lebenserhaltungskosten. Auch für Unternehmensansiedelungen spielen diese Umstände letztlich eine entscheidende Rolle, weil es immer schwieriger wird Topkräfte nach Österreich zu locken. Langfristig wird man weder durch eine Öffnung des Arbeitsmarktes für Topkräfte (die de facto längst besteht) noch durch eine Fortführung der großzügigen Subventionspolitik in der Lage sein, die Position als interessanter Standort für internationale Unternehmen halten zu können. Dafür wird früher oder später eine Anpassung der Wirtschafts- sowie der Steuerpolitik unumgänglich sein. Die derzeitige Diskussion um neue Steuern allerdings lässt diesbezüglich kaum Hoffnung aufkommen.

Tatsächlich spielt die Zuwanderung aus Drittländern in Österreich eine völlig untergeordnete Rolle. Knapp zwei Drittel der Zuwanderer kamen 2009 aus der europäischen Union, nahezu die Hälfte davon aus Deutschland. Zuwanderer aus der Türkei (2009 etwa 6,8%) oder aus Ex-Jugoslawien (5,6%) sind dagegen kaum maßgeblich. Österreich hat aber generell für Zuwanderer mit niedrigem Bildungsniveau deutlich mehr zu bieten als für High-Potentials. Durch die enorm niedrige Arbeitslosigkeit und die vergleichsweise hohen Löhne für Arbeiter bietet Österreich gute Entwicklungsmöglichkeiten für arbeitswillige Zuwanderer. Nicht zuletzt stellt aber natürlich auch das großzügige Sozialsystem für viele einen Anreiz zur Zuwanderung dar. Weder die Rot-Weiß-Rot-Karte noch die Blue Card werden ausreichen, um die „besten Köpfe“ ins Land zu holen, derzeit ist man ja nicht einmal in der Lage die eigenen „besten Köpfe“ im Land zu behalten.
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denkanstoesse - 2. Aug, 21:15

Die ausländerfeindliche Stimmung im Land sowie die derzeitige "Eat the Rich" Mentalität tragen auch zu der Problematik bei, dass hoch Qualifizierte Einwanderer wenig Interesse an Österreich zeigen.

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