Die Instrumentalisierung der arabischen Revolution. Ein Wettlauf der Ideologien

Wenngleich das Endergebnis der Revolutionsansätze im arabischen Raum derzeit kaum vorhersehbar und jede Prognose darüber reine Spekulation zu sein scheint – eine differenzierte Betrachtung der weltweiten Reaktionen darauf zeigt eines sehr deutlich. Auf allen politischen Ebenen wird die Entwicklung im arabischen Raum missbraucht, um die eigene Position, innen- wie außenpolitisch, zu untermauern. Besonders augenscheinlich ist dies im Bereich der Außenpolitik hinsichtlich der globalen Gefährdung durch den so genannten „islamistischen Terrorismus“

Die Erwartung einer schnellen und reibungslosen Demokratisierung ist gewiss unrealistisch und naiv, es scheint allerdings offensichtlich dass eine Umkehrung bzw. Abwendung dieser Freiheitsbewegung kaum möglich ist. Die gröbste Fehleinschätzung dieser Bewegung aber ist die völlig irrationale Titulierung dieser Entwicklung als islamistische Revolution. Insbesondere die Bewegung in Ägypten war von Beginn an offensichtlich vollkommen unabhängig von religiösen oder gar fundamentalistischen Tendenzen. Es war in Ägypten bis dato völlig undenkbar, dass auf einem Platz hunderttausende Menschen unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam Seite an Seite beteten und gemeinsam ihre Forderungen äußerten. Auf dem Platz der Befreiung in Kairo aber forderten nun Männer wie Frauen friedlich die Absetzung des Despoten und seiner Regierung sowie die politische Öffnung des Landes.

Insbesondere die Jugend, die in Ägypten die eindeutige Mehrheit der Bevölkerung darstellt, ist an persönlicher Freiheit und wachsender Prosperität erheblich mehr interessiert als an Religion und religiösen Konflikten. Dies passt freilich nicht ins Weltbild derjenigen Politiker und Journalisten, die uns tagtäglich das enorme Drohpotential der muslimischen Welt bzw. des Islam an sich vermitteln wollen. Plötzlich wieder gefundene Berichte über (vergangene) Anschläge auf koptische Kirchen beispielsweise sollen uns diese Gefahren deutlich machen. Noch vor wenigen Tagen wurde von zahlreichen Medien ein Interview mit Friedensnobelpreisträger Mohamed el-Baradei veröffentlicht, in dem er den Friedensvertrag mit Israel infrage gestellt haben soll, andere Berichte allerdings besagen das glatte Gegenteil.

„Egypt`s peace treaty with Israel is rock solid … I assume Egypt will continue to respect it”
Mohamed el-Baradei Quelle: Bloomberg / 06.02.2011


Auch Kritik an der israelischen Regierung im Umgang mit der Situation muss an dieser Stelle erlaubt sein. Israel hat noch zu Beginn der Proteste den Westen aufgefordert, das Regime Mubarak zu stützen um den Frieden im mittleren Osten abzusichern. Es widerspricht, trotz allem Verständnis für die Interessen Israels, massiv den Prinzipien der Demokratie und den Menschenrechten, einem Volk die Freiheit zu versagen um die eigene Position und den Status Quo nicht zu gefährden. Das Gefahrenpotential des Islamismus soll keineswegs verharmlost werden, es muss aber zu einem Paradigmenwechsel hinsichtlich seiner Ursachen kommen. Islamismus basiert im Wesentlichen auf Unterdrückung und Unfreiheit. Der „Kampf gegen den Terror“, wie er im Irak oder in Afghanistan geführt wird, spielt dem Extremismus naturgemäß in die Arme.

Der Westen, insbesondere aber die amerikanische Regierung, zeigt sich im „Kampf gegen den Terror“ diesbezüglich weiter absolut lernresistent. Eine Betrachtung all jener Länder, in denen der radikale Islamismus tatsächlich Fuß fassen konnte, zeigt eine auffällige Gemeinsamkeit auf. In all diesen Ländern wurden die Regierungen vom Westen eingesetzt, zumindest aber kräftig unterstützt – zur Sicherung der Stabilität freilich. Selbst die Regierung der Taliban wäre ohne die massive Aufbauarbeit seitens der USA im Kampf gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan kaum möglich gewesen. Die Kurzsichtigkeit der opportunistischen amerikanischen Außenpolitik wird der Welt zum Verhängnis – das scheint allerdings an den politischen Positionen bis dato nichts geändert zu haben.

Wir alle wären gut beraten im Falle der ägyptischen Revolution ein wenig diplomatische Zurückhaltung zu üben. Nur allzu gern stellen wir uns moralisch wie menschlich über die Bevölkerung in ärmeren Ländern. Die Forderungen nach mehr Demokratie aber verlangt eine bedingungslose Respektierung des Willens der ägyptischen Bevölkerung, völlig unabhängig davon ob dieser der amerikanischen bzw. europäischen Diplomatie beliebt oder nicht. Insbesondere die US-Regierung sollte aus dem Fiasko der WikiLeaks-Skandale zumindest gelernt haben das ausufernde Diplomatie mit Demokratie oft nur bedingt vereinbar ist. Die Chancen der ägyptischen Bevölkerung übersteigen in diesem Fall die Risiken eindeutig. Vergleiche mit der islamischen Revolution 1979 im Iran sind völlig irreführend. Allein das unkontrollierbare Internet sowie die bessere Bildung eines Teils der Bevölkerung ändert die Situation vollkommen.

Der Umbruch in der arabischen Welt wird keineswegs das Ende der Geschichte und den ewigen Frieden nach sich ziehen. Die Entwicklung bietet aber der Bevölkerung die Chance einen ersten Schritt weg von Unterdrückung und Unfreiheit zu machen, zu der der Westen lange Zeit einen erheblichen Teil beigetragen hat. Wünschenswert und durchaus realistisch erscheint in diesem Zusammenhang ein genereller Schritt weg von Staatsmacht und Religion, möglicherweise beispielgebend für die ganze Welt.

Leider vergessen wir allzu oft dass diese beiden Institutionen, Staat und Religion, für alle Kriege dieser Welt verantwortlich zeichnen.
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