Gerechtigkeit als politische Bankrotterklärung

Gerechtigkeit

Politiker verschiedener Couleur unterscheiden sich beträchtlich hinsichtlich ihrer Ziele und Forderungen, zumindest nach außen hin. Ungewohnte Einigkeit beweisen sie jedoch bei der Forderung nach mehr Gerechtigkeit. Steuergerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, Generationengerechtigkeit sowie jede andere Form dieses philosophischen Konstrukts, sie alle haben eines gemeinsam. Alle fordern dasselbe – und doch könnten ihre Forderungen unterschiedlicher nicht sein.

Die unermüdliche Forderung nach Gerechtigkeit in jeder Form entpuppt sich bei näherer Betrachtung als inhaltslose Phrase die letztlich dem Populismus zuzuschreiben ist, der Sachpolitik aber zumeist im Wege steht. Gerechtigkeit endgültig zu definieren gleicht der Quadratur des Kreises. Die Philosophie versucht seit Platon zufrieden stellende Definitionen der Gerechtigkeit zu finden – mit mäßigem Erfolg. Gerechtigkeit kann zwar allgemein und sehr weit gefasst erklärt werden, in der praktischen Umsetzung jedoch zeigt sich der Begriff der Gerechtigkeit stark von Ideologien gefärbt.

Politisch wird Gerechtigkeit zumeist auf Aspekte der Ressourcenverteilung und neuerdings der Gleichberechtigung reduziert, häufig vernachlässigt wird demgegenüber der Faktor Leistungsgerechtigkeit. Die soziale Gerechtigkeit im monetären Sinne wird je nach ideologischem Hintergrund unterschiedlich beurteilt. Für Sozialisten ist soziale Gerechtigkeit erst erreicht, wenn jeder gleich viel vom „Kuchen“ abbekommt. Die Geschichte hat gezeigt dass selbiger Kuchen bei diesem Verteilungsschlüssel schnell zur Neige geht, und einzelne im Endeffekt doch immer „gleicher“ waren als andere. Die Gegenposition zum Sozialismus bietet die Österreichische Schule der Nationalökonomie, die jedem exakt jenen Wert zuschreibt, den er am freien Markt erwirtschaften kann. Umverteilung kann aus dieser Perspektive nur aus freien Stücken gerecht sein, nicht jedoch durch staatlichen Zwang.

Die gelebte Praxis westlicher Industriestaaten bewegt sich zwischen diesen beiden Extrempositionen, jede Partei aber definiert soziale Gerechtigkeit anders, selbst parteiintern divergieren die Meinungen. In der Regel besagt die Forderung nach mehr Gerechtigkeit aber schlichtweg das Verlangen nach höheren finanziellen Zuwendungen für die eigene Klientel. Unkommentierte Rufe nach mehr Gerechtigkeit sprechen weder für hohe moralische Ansprüche noch für eine besondere soziale Kompetenz einer Partei. Bei genauerer Betrachtung kann ein derartiger Wahlspruch lediglich als politische Verzweiflungstat enttarnt werden.

Gerechtigkeit kann aber durchaus weiter gefasst werden als reduziert auf Einkommen oder Vermögen. Kann es wirklich gerecht sein, wenn ein Manager im mittleren Management 80 Wochenstunden arbeitet, deswegen kaum Freizeit zur Verfügung hat, und dann auch noch dem Staat knapp zwei Drittel seines Einkommens zur Umverteilung zur Verfügung stellen muss? Kann es gerecht sein, dass manche Menschen mit Schönheit beschenkt wurden, ohne etwas dafür geleistet zu haben, und es damit im Leben vielfach deutlich leichter haben? Kann ein Fußballspiel mit einem Endergebnis von 2:0 jemals gerecht sein? Diese Auflistung von Fragen kann beliebig weitergeführt werden. Letztlich zeigt sie uns nur eine entscheidende Frage auf. Kann unsere Welt jemals absolut gerecht sein???
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denkanstoesse - 20. Jun, 23:24

Kommentare unmöglich

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nömix - 24. Jun, 22:12

“Faire Verteilung“ ist ja sowieso die reinste Luftnummer. WAS bitte wollen die denn verteilen, wenn hint und vorn eh nix mehr da ist.

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