Die Abschaffung der Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit, nicht zuletzt aber auch der sozialpolitische Umgang damit, ziehen vielschichtige negative Auswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft nach sich. Oftmals werden die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Folgen für den einzelnen Betroffenen reduziert. Ein gewisses Maß an Arbeitslosigkeit ist vollkommen unumgänglich, sie tritt nahezu immer beim Wechsel des Arbeitgebers aber auch bei einer freiwilligen Erholungspause zwischen zwei Arbeitsverhältnissen auf. Diese Formen der Arbeitslosigkeit allerdings basieren auf einer freiwilligen Entscheidung des Einzelnen und sollten den Sozialstaat eigentlich nicht betreffen. Auch die Erwerbslosigkeit eines Saisonniers in der Zwischensaison sollte grundsätzlich nicht der Gesellschaft zur Last fallen. Sie beruht ebenso auf Freiwilligkeit, und durch die gängige Praxis des „Stempeln gehens“ in der Zwischensaison missbrauchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Sozialsystem zu ihren Gunsten.

Der Sozialstaat arbeitet grundsätzlich nach dem Prinzip der Subsidiarität, er soll also nur dort einschreiten, wo der Einzelne zur Selbsthilfe nicht in der Lage ist. Bei allen oben beschriebenen Fällen ist dies ganz klar nicht der Fall. Die genannten Arbeitslosen stehen dem Arbeitsmarkt nur scheinbar zur Verfügung, erhalten aber (mit einigen wenigen Ausnahmen) vom Arbeitsmarktservice Arbeitslosengeld. Dies ist zwar als Fehler unseres Sozialsystems zu bemängeln, verursacht aber volkswirtschaftlich nur geringe Schäden. Als wesentlich problematischer ist die langfristige Arbeitslosigkeit zu betrachten, die zahlreiche zusätzliche schädliche Aspekte nach sich zieht, welche oftmals völlig unbeachtet bleiben.

• Für den Betroffenen bedeutet die langfristige Arbeitslosigkeit neben einer Einkommensminderung auch ein Verlust an Produktivität. Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit kommen oftmals auch psychosoziale Probleme hinzu, die bis hin zu einem Abgleiten in Suchtmittelabhängigkeit oder Kriminalität führen kann.

• Durch den relativ niedrigen Lohnabstand zwischen dem Transferbezug und einem möglichen Markteinkommen steigt der Anreiz zur Schwarzarbeit. Durch eine Kombination aus Schwarzarbeit und Transferbezug kann der Betroffene oftmals mit deutlich geringerem Aufwand ein erheblich höheres Nettoeinkommen erwirtschaften. Die Förderung der Schwarzarbeit verzerrt den Markt und schadet den anderen Unternehmen, dem Steuerzahler, aber letztlich auch dem Betroffenen, der damit Pensionsansprüche verliert und sich durch Schwarzarbeit strafbar macht.

• Neben der Schwarzarbeit ist auch die geringfügige Erwerbsarbeit für viele eine Möglichkeit zum Hinzuverdienst zum Arbeitslosengeld. Bei der Sozialhilfe existiert diese Möglichkeit nicht. Ab dem Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze (€ 366,33) wird dem Betroffenen der gesamte Transferanspruch gestrichen. Auch diese Sonderregelung lädt regelrecht zum Missbrauch ein, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer profitieren können. Unter dem Mantel der geringfügigen Erwerbstätigkeit verbirgt sich letztlich häufig partielle Schwarzarbeit.

• Indirekt von der Arbeitslosigkeit betroffen sind allerdings auch die aktiven Arbeitnehmer. Sie müssen durch ihre Beiträge in die Arbeitslosenversicherung die Kosten für die Arbeitslosen tragen. In der Regel wird aber übersehen, dass durch das Ausmaß der Arbeitslosigkeit auch die Höhe der Einkommen am Arbeitsmarkt erheblich beeinflusst wird. Je mehr Arbeitslose als „Reserve“ für den Arbeitgeber potentiell zur Verfügung stehen, je schlechter ist die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers bei Lohnverhandlungen. Die sinkenden Löhne bewirken letztlich wiederum eine Senkung des Arbeitsanreizes für Arbeitslose und einen Anreiz zur Schwarzarbeit.

In der Theorie ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und zukünftig auch der bedarfsorientierten Mindestsicherung an einen Willen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gebunden. Die Praxis aber zeigt, dass das AMS mit der Überprüfung dieser Arbeitswilligkeit massiv überfordert ist. Es reicht für den Anspruchsberechtigten in der Regel aus, das ein oder andere Bewerbungsgespräch zu „absolvieren“ und sich dies mittels Stempel bestätigen zu lassen.

All diese Probleme sind grundsätzlich nicht unlösbar. Es fehlt aber bis dato der politische Wille, einen Transferbezug an die absolute Bereitschaft zu einer Erwerbstätigkeit zu binden. Diese kann nur dann realistisch überprüft werden, wenn dem Betroffenen nach einer gewissen Dauer der Arbeitslosigkeit ein Arbeitsplatz angeboten werden kann, im Zweifelsfall auch mittels gemeinnütziger Tätigkeiten. Durch den erheblichen Mangel an Arbeitskräften im Pflegebereich und die mögliche Abschaffung der Wehrpflicht, und damit auch des Zivildiensts, könnten in den nächsten Jahren Zigtausende Arbeitskräfte in diesem Bereich benötigt werden. Mit der Bindung des Transferbezugs an die Bereitschaft zur Aufnahme einer Tätigkeit in diesem Bereich könnten all diese Probleme in kürzester Zeit erheblich verringert, werden.

Die Verknüpfung von staatlichen Transferzahlungen an eine Arbeitsleistung ermöglicht eine Erhöhung der bedarfsorientierten Mindestsicherung ohne Mehrbelastung für das Staatsbudget. Die Nettolöhne am Arbeitsmarkt würden insbesondere im Niedriglohnbereich dadurch steigen, einerseits weil die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers gestärkt wird, andererseits natürlich aber auch durch eine erhebliche Senkung der Lohnnebenkosten. Derzeit fließen 6% des Bruttoeinkommens in die Arbeitslosenversicherung, dieser Betrag könnte durch eine grundlegende Reform der Sozialtransfers maßgeblich gesenkt werden. Die Regierung muss im Herbst zeigen, ob man zu einer grundlegenden Reform des Sozialsystems bereit ist, die zahlreiche akute Probleme unseres Sozialstaats lösen könnte. Eine ausnahmslose Besserstellung aller sozialen Schichten wäre damit möglich, sozialer kann Politik wohl kaum sein.
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denkanstoesse - 5. Aug, 16:11

Positive Aktivierung des Potentials arbeitsloser Menschen

Es geht hierbei keineswegs um eine menschenunwürdige Arbeitsverpflichtung. Aus dem Angebot einer sinnvollen Tätigkeit kann der Betroffene neuen Mut schöpfen und seine Fähigkeiten behalten bzw. sogar ausbauen. Ein Eintritt in den offenen Arbeitsmarkt wäre deswegen wesentlich realistischer als nach einer langfristigen Arbeitslosigkeit.

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