Die Abschaffung des Neoliberalismus. Eine unendliche Geschichte

Die gesamte Bandbreite unserer politischen Vertreter ist sich ausnahmsweise uneingeschränkt einig über den Verursacher der aktuellen Wirtschaftskrise. Auch die Massenmedien hinterfragen kaum, dass letztlich einzig der Neoliberalismus schuld an dieser Misere sein kann. Wir alle wurden von dieser Krise vollkommen schuldlos und scheinbar überraschend getroffen. Bedenklich daran ist allerdings, dass kaum jemand auch nur annähernd eine Vorstellung hat welche Ideen und wissenschaftlichen Lehren sich tatsächlich hinter dem verhassten Begriff „Neoliberalismus“ verbergen.

Tatsächlich kann der Neoliberalismus als einer der wesentlichsten wissenschaftlichen Exporte Österreichs betrachtet werden. Wenngleich aufgrund der schwammigen Definition die Zuordnung der Österreichischen Schule der Nationalökonomie teils umstritten ist sind doch insbesondere Ludwig von Mises und Friedrich v. Hayek als wesentliche Vertreter dieser Denkrichtung zu nennen. Insbesondere in den USA werden klassisch Liberale wie Neoliberale gemeinhin immer noch häufig als „Austrians“ bezeichnet, nach einer Identifikation mit dieser Schöpfung in der Heimat sucht man allerdings vergebens. Mit der Durchsetzung der Theorien von Keynes Mitte der 1960er Jahre wurde der Neoliberalismus faktisch vollkommen aus der Politik verdrängt. Aufgrund der unentwegten Beteuerungen aus Presse, Politik sowie aus mächtigen globalisierungskritischen Organisationen (allen voran ATTAC) schreibt dessen ungeachtet die Mehrheit der Bevölkerung die Schuld an der aktuellen Krise dem Schreckgespenst Neoliberalismus zu.

Die politische Situation in Österreich war kaum jemals weiter entfernt von einer neoliberalen Prägung als gegenwärtig. Insbesondere die Situation der Arbeitnehmer in Österreich wird oftmals im Zusammenhang mit dem Neoliberalismus gebracht, dieser Schluss könnte jedoch falscher nicht sein. In keinem anderen Land der Welt wird die Wirtschaft massiver subventioniert als in Österreich, der Löwenanteil dieser Zuwendungen kommt einflussreichen Großkonzernen zu Gute. Auch die rechtliche Situation und die ausufernde Bürokratie unterstützen die Bildung von Großunternehmen, die in der Lage sind enorme Macht über Mitarbeiter wie Politik auszuüben. Dies führt zu einer doppelten Zwangslage für Arbeitnehmer. Mangelnde Konkurrenz am Markt für Arbeitskräfte führt dazu, dass Betroffene sich oftmals deutlich unter ihrem Wert verkaufen, die oft kritisierte Generation Praktikum ist nur ein Ausdruck dieser Entwicklung. Zusätzlich wird dem Einzelnen der Wechsel von unselbstständiger Arbeit in die Selbstständigkeit durch vielfältige Probleme nahezu unmöglich gemacht. Neben den bereits erwähnten Stolpersteinen verhindern insbesondere hohe Steuern und Abgaben die Entwicklung zahlreicher Kleinunternehmer. Das hohe Maß an Schwarzarbeit in arbeitsintensiven Branchen untermauert die Ausweglosigkeit der Situation.

Der Neoliberalismus fordert freie Zugänge zu allen Märkten, im Gegensatz zum klassischen Liberalismus aber explizit auch die Bekämpfung einzelner privater Machtpositionen. Es ist keineswegs ein Gesetz des Marktes, dass nur Großunternehmen am Markt erfolgreich sein können. Ab einer gewissen Größe sind auch Privatunternehmen nicht vor Bürokratieaufbau, Ineffizienz und Korruption zu Lasten des Unternehmens gefeit. Ohne den diskriminierenden Förderungen und Erleichterungen für Großkonzerne durch die Politik wären viele Konzerne wohl kaum überlebensfähig, zumeist in der Form gar nicht entstanden. Durch diese verantwortungslose Politik werden Kleinunternehmen benachteiligt, Neugründungen verhindert und somit eine produktive Konkurrenzsituation unterbunden. Ironischerweise bezahlt damit letztlich die Bevölkerung durch überhöhte Steuern die Subventionierung von Unternehmen, die einerseits für hohe Preise am Markt und andererseits für niedrige Löhne am Arbeitsmarkt verantwortlich sind. Wir alle werden also dreimal zur Kasse gebeten.

In der öffentlichen Betrachtung wird der Neoliberalismus als wirtschaftsfreundliche Politik missverstanden, dies ist allerdings eine vollkommene Fehleinschätzung. Auch die aktuelle Finanzkrise kann bei genauerer Betrachtung nur bedingt verantwortungslosen Bankern zugeschrieben werden. Verantwortlich für jene Finanzprodukte, die von vielen als Auslöser der Krise identifiziert wurden, ist die Geldmarktpolitik nahezu aller großen Staaten. Insbesondere die amerikanische Politik hat zugelassen, dass die Märkte regelmäßig mit frischen Noten aus den Pressen der Fed überschwemmt werden. Dies ist auf eine stur nach den Thesen von Keynes ausgelegte Wirtschaftspolitik zurückzuführen und den Forderungen des Neoliberalismus diametral entgegengesetzt. Milton Friedman, Nobelpreisträger und prominenter Vertreter des Neoliberalismus, forderte in seinem Buch „Die optimale Geldmenge“(1969) eine strenge Kontrolle der Geldmenge und eine massive Erhöhung der Mindestreserve für Privatbanken. Generell entspricht die „Liberalisierung“ der Finanzmärkte keineswegs den Forderungen der Neoliberalen.

Der ungebremste Protektionismus der österreichischen Wirtschaftspolitik führt zu einer Machtausweitung zu Gunsten der Politik und einzelner Großunternehmen zu Lasten der restlichen Bevölkerung. Wenngleich diese Forderung derzeit auf viel Unverständnis treffen mag: Wir alle könnten von einer ernsthaften Annäherung an die Theorien des Neoliberalismus profitieren.
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