Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Viel Lärm um wenig…

Mit der Umsetzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit 1.September 2009 (Der Termin ist wohl höchst fraglich, da die Länder für die Umsetzung länger brauchen) gelingt es in Österreich nach langjährigem Zerren das unfaire System von neun unterschiedlichen Sozialhilferegelungen abzulösen. Das neue System bringt weder eine massive Gefährdung für unser Staatsbudget durch die Einführung einer sozialen Hängematte mit sich noch wird sie eine signifikante Ausweitung der Armutsgefährdung in Österreich nach sich ziehen. Die Mindestsicherung versucht lediglich die Ansprüche der Transferempfänger neu zu regeln und bundesweit zu vereinheitlichen - nicht mehr und nicht weniger.

Schon bei der Vereinheitlichung mussten aber Abstriche in Kauf genommen werden. Die Landespolitik will natürlich auch zukünftig nicht auf populistische Wahlgeschenke verzichten und darf deswegen auch bei der Mindestsicherung weiterhin entscheiden, ob sie diese beispielsweise in 12, 13 oder 14 Monaten pro Jahr auszahlen, oder anderweitig höhere Leistungen gewähren will. Durch diesen Makel wird auch zukünftig der Transferempfänger von der Großzügigkeit der jeweiligen Landesfürsten abhängig sein. Die Mindestsicherung stellt also nur einen bundesweiten Mindeststandard dar.

Hinsichtlich der Voraussetzungen wird zukünftig von jedem Anspruchsberechtigten der Wille zur Annahme einer Erwerbsarbeit vorausgesetzt, dies war bei der bisherigen Sozialhilfe nicht der Fall. Verbessert wurde die Mindestsicherung hinsichtlich des Arbeitsanreizes für die Betroffenen. Regressforderungen nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, bei der Sozialhilfe noch üblich, kommen bei der Mindestsicherung nur in Spezialfällen zur Anwendung. Zusätzlich soll der Arbeitsanreiz durch einen so genannten „WiedereinsteigerInnenfreibetrag“ gesteigert werden. Im Sinne eines Kombilohnmodells soll für Bezieher der Mindestsicherung bei einer Arbeitsaufnahme nach mindestens 6 Monaten Bezugsdauer ein Freibetrag von etwa 15% ihres Nettoeinkommens (min 52,08 max. 126,46 Euro) für maximal 18 Monate weitergewährt werden.

In der Praxis bedeutet dies bei einer Erwerbsaufnahme mit einem Nettolohn von 1000 Euro eine fortgesetzte Transferzahlung von 126,46 Euro und somit ein Gesamteinkommen von 1126,46 Euro. Für einen Einzelnen mag dieser Abstand zum reinen Transferbezug (in diesem Falle 382,46 Euro faktisches Mehreinkommen) einen ausreichenden Anreiz darstellen. Für einen 2-Personen-Haushalt allerdings erhöht sich in diesem Fall das Gesamteinkommen lediglich um etwa 10 Euro. Das klassische Problem der Armutsfalle wird demnach also leicht abgemildert, es ist allerdings bei realistischer Betrachtung fraglich ob diese Maßnahmen ausreichen. Für viele Transferempfänger wird wohl auch weiterhin eine Kombination aus Transferbezug und Schwarzarbeit ein höheres Einkommen ermöglichen, oft gar der einzige Weg zu einem den Bedürfnissen entsprechenden Einkommen sein. Dies schadet den Betroffenen auch der Wirtschaft und selbstverständlich unserem Budget.

Ein durchdachtes Kombilohnmodell, das die Annahme einer Tätigkeit am legalen Arbeitsmarkt tatsächlich lohnenswert macht könnte das System entlasten und den schwächsten unserer Gesellschaft Hilfe zur Selbsthilfe gewähren. Die Mindestsicherung ist in dieser Hinsicht ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, einen sozialpolitischen Durchbruch allerdings stellt sie sicherlich nicht dar.
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denkanstoesse - 30. Jun, 16:48

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