Die Schäden protektionistischer Agrarpolitik

Die Ausgaben der gemeinsamen Agrarpolitik nehmen mit etwa 42% und knapp 59 Mrd. Euro den weitaus größten Anteil des EU-Budgets in Anspruch. Österreich leitet mit insgesamt 1,9 Mrd. Euro (inklusive Zuschüsse von Bund und Ländern) einen überproportional großen Teil davon an Betriebe aus Landwirtschaft und Industrie weiter. Zusätzlich zu den Agrarförderungen wird die Landwirtschaft durch andere Subventionen, beispielsweise Förderungen für Ökostrom, massiv bezuschusst. Ziel der Agrarpolitik ist die langfristige Existenzsicherung der Bauern und der Landschafts- und Naturschutz. Die mächtige Lobby der Bauern blockt Änderungen vorzeitig ab und erstickt sinnvolle Diskussionen zu den Auswirkungen dieser Beihilfen im Keim.

Die Folgen dieser Politik werden dadurch selten angesprochen und kaum bedacht. Sie gehen weit über die Grenzen der Europäischen Union hinaus – insbesondere folgende Punkte sollten nicht unter den Tisch gekehrt werden.

• Die Subventionierung von Agrarprodukten muss sich auf Produkte beschränken, deren Herstellung in Europa für den Konsumenten einen Mehrwert bietet und wirtschaftlich sinnvoll ist. Produkte die in Drittländern in derselben Qualität und wesentlich wirtschaftlicher hergestellt werden, sollten deswegen keinesfalls gefördert werden. Die Subventionierung der Herstellung von Zuckerrüben stellt ein wichtiges Beispiel hierfür dar. Zucker wird in Drittländern wesentlich billiger hergestellt und könnte in gleicher Qualität als Fertigprodukt importiert werden. Dies wird durch Subventionen auf europäischen Zucker und hohe Importzölle auf Rohzucker aus Drittländern unmöglich gemacht.

• Die Auswirkungen der gemeinsamen Agrarpolitik auf die Entwicklung von Ländern der so genannten dritten Welt sind erheblich. Als Folge der Übersubventionierung werden beispielsweise die Länder Afrikas und Asiens mit europäischem Zucker und Milch regelmäßig überschwemmt. Im Jahr 2010 werden etwa 1,37 Millionen Tonnen an Zucker aus der EU exportiert (!!). Dies zerstört die Landwirtschaft in den betroffenen Ländern, da die Hersteller dort mit den hoch subventionierten, europäischen Produkten preislich nicht mithalten können. So verpuffen die enormen Anstrengungen der Entwicklungshilfe, eine Möglichkeit der Selbsthilfe wird den Menschen genommen. „Unsere“ Bauern können ihre Höfe oft nur auf Kosten von Menschen in der Dritten Welt weiterführen – die Schuld daran tragen selbstverständlich andere.

• Die direkten Förderungen in Höhe von 1,9 Mrd. Euro jährlich verursachen einen entbehrlichen bürokratischen Aufwand für die Europäische Union und deren Mitgliedsländer aber selbstverständlich auch für die ansuchenden Betriebe. Die Aufwendungen hierfür verschlingen Millionenbeträge auf beiden Seiten.

• Massenmedien berichten immer wieder empört über Empfänger von millionenschweren Agrarsubventionen aus der produzierenden Wirtschaft. In Österreich beispielsweise ist Rauch der größte Empfänger. Diese Förderungen erhält Rauch allerdings ausschließlich als Ausgleichszahlung für Exporte in Drittländer, die mit teurem europäischem Zucker hergestellt werden mussten, anstatt Zucker zum Weltmarktpreis beziehen zu können. Diese Betriebe profitieren also grundsätzlich nicht von diesen Förderungen, sie werden lediglich dafür entschädigt überteuerten Zucker aus Europa kaufen zu müssen.

• Nicht zuletzt sollte angemerkt werden, dass die politische Macht der Landwirte durch das momentane System der Agrarförderung zusätzlich ausgeweitet wird. Österreichische Bauern bestellen etwa 80% der Staatsfläche, ein erheblicher Teil davon in ihrem eigenen Besitz, und verfügen damit in ihren Heimatgemeinden über erheblichen Einfluss auf die Politik. Denn neben der Kirche sind es primär die Bauern, die über das zukünftige Bauland verfügen können. Die dadurch vorhandenen, „potentiellen Vermögenswerte“ der Bauern werden bei Diskussionen über Förderungen aber gerne unter den Tisch gekehrt.

Die gänzliche Abschaffung direkter Subventionen an die Bauern würde enorme finanzielle Mittel freigeben die anderweitig deutlich besser genutzt wären, indem sie unmittelbar der Bevölkerung und somit den Konsumenten zugute kommen. Durch ein Ende der Subventionierung könnten die Preise im Handel ein wirtschaftlich sinnvolles Niveau erreichen, zusätzlich würden die Bauern vermehrt dazu gezwungen wirtschaftlicher und marktgerechter zu arbeiten. Durch die fortgesetzte Subventionspolitik werden die Bauern immer abhängiger von der Politik, was durchaus dem Interesse der Politik entspricht.

In der derzeitigen politischen Situation hätte die Österreichische Volkspartei, die dem Bauernbund nahe steht, die Chance sich von ihren politischen Mitbewerbern abzugrenzen indem sie offensichtliche Klientelpolitik verweigert und eine ganzheitliche Politik verfolgt. Angesichts der aktuellen Spardebatte könnte Joseph Pröll Führungsstärke beweisen, indem er auch von Bauern und Beamten spät aber doch sinnvolle Beiträge zur Budgetsanierung einfordert. Wenngleich aktuelle Aussendungen aus der Lichtenfelsgasse ein wenig erfreuliches Bild zeigen – Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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denkanstoesse - 22. Jun, 18:00

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