Ist der Fußball noch zu retten? Randnotiz zur Fußball WM #2

Bewogen vom bisherigen Verlauf der Weltmeisterschaft in Südafrika möchte ich an dieser Stelle den Artikel „König Fußball hält uns einen hässlichen Spiegel vor“ weiterführen und die Thematik der Unsportlichkeit im internationalen Fußball ein wenig vertiefen. Neben den zahlreichen Fehlentscheidungen der Schiedsrichter, die schon so manches Spiel entscheidend beeinflusst haben, sollen auch versteckte und offene Unsportlichkeiten der Spieler angesprochen werden. Die (alten) Herren der FIFA stehen diesen Entwicklungen keineswegs machtlos gegenüber, fraglich ist jedoch ob sie überhaupt danach streben etwas an dieser Problematik zu verändern.

Fehlentscheidungen der Unparteiischen begleiten den Sport seit seiner Gründung, die technischen Möglichkeiten zur Überprüfung kritischer Situationen haben sich seither aber enorm weiterentwickelt. Viele andere Sportarten, beispielsweise American Football, Eishockey und Tennis, nutzen längst unterschiedliche Möglichkeiten des Videobeweises zur Verhinderung von Fehlentscheidungen. Wenn Weltmeisterschaftsspiele durch eine fälschliche Abseitsentscheidung, einen geschenkten Elfmeter oder gar ein „Wembley-Tor“ entschieden werden, dann ist das sportlich absolut unerträglich. Die Schuld daran allein dem Schiedsrichter in die Schuhe zu schieben ist ein wenig kurzsichtig. Hätte der Weltverband tatsächlich Interesse an korrekten Entscheidungen wären Fehlentscheidungen in den höchsten Ligen und im internationalen Geschäft längst Geschichte, dort aber besteht man freilich weiterhin stur auf der „Tatsachenentscheidung“ der Schiedsrichter. Sicherlich schafft dies im Umfeld des Fußballs ein höheres Maß an Publicity, jedoch sicherlich zu Ungunsten des Sports.

Wesentlich weniger Beachtung scheinen die Unsportlichkeiten der Aktiven in der Betrachtung durch Presse und Zuseher zu erregen, sie sind aber für den sportlichen Wert nicht minder schädlich. Von Interesse sind in diesem Fall nicht aggressive Fouls und schwere Attacken, es sollen primär schauspielerische Höchstleistungen am Spielfeld betrachtet werden. Kaum ein Spiel verstreicht ohne Fouls, die durch die Zeitlupe todsicher als peinliche Schwalbe entlarvt werden. Schon im Nachwuchsbereich lernen Fußballspieler, vorwiegend von ihren „Vorbildern“ im Fernsehen, wie man nach jeder Berührung mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden geht. In keinem anderen Sport gibt es derartige Betrügereien in ähnlichem Maße. Es geht hier nicht um lächerliche Kavaliersdelikte, derartige Darstellungen sind als grobe Unsportlichkeiten einzustufen.

In nahezu jedem Spiel liegen nach 80 Minuten Spieler mit taktischen Wadenkrämpfen am Boden, sofern der Spielstand nicht unentschieden sein sollte. Wer nicht in der Lage ist 90 Minuten durchzuspielen, der hat im Profisport nichts verloren. Wenn ein Marathonläufer nach 35 km einen Wadenkrampf kriegt wird der Lauf auch nicht angehalten um ihm die Möglichkeit zur Erholung zu geben. Wer körperlich nicht in der Lage ist die Spielzeit durchzuspielen, der sollte seine Fußballschuhe an den Nagel hängen. Generell ist es eine Eigenheit des Fußballs, dass Spieler regelmäßig ärztlich behandelt werden müssen (mittels Eisspray), um Sekunden später wieder kerngesund am Spielfeld zu stehen.

Diese Fehlentwicklungen könnten in kürzester Zeit abgestellt werden. Jede offensichtliche Schwalbe stellt eine grobe Unsportlichkeit dar und könnte nach dem Spiel und entsprechender Videoanalyse zur Sperre des Akteurs führen. Problemlos könnte man den Einsatz des Teamarztes am Spielfeld an eine verbindliche Auswechslung des betroffenen Spielers knüpfen. Wenn ein Spieler tatsächlich nicht mehr in der Lage ist aus eigener Kraft aufzustehen kann er unmöglich kurz darauf wieder körperliche Höchstleistungen erbringen. Schwalben sowie vorgetäuschte Verletzungen und Krämpfe würden nach einer Umsetzung derartiger oder ähnlicher Maßnahmen innerhalb von wenigen Wochen nahezu vollständig von der Bildfläche verschwinden, zum Wohle des Sports und der Gesellschaft. Schließlich ist es doch völlig unerträglich, wenn unsere Jugend von ihren sportlichen Idolen lernt, dass es völlig in Ordnung ist zu betrügen und andere zu täuschen. Abseits des Spielfelds nähren diese Unsportlichkeiten Nationalismen und Gehässigkeiten, zwei Einflüsse die der Fußball eigentlich nicht nötig hätte. Es liegt letztlich in der Verantwortung von Presse und Publikum diese Thematik durch öffentlichen Druck auf die Tagesordnung der FIFA zu setzen.
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denkanstoesse - 29. Jun, 15:17

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